Ereignet sich ein Auffahrunfall in unmittelbarem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel (Amtsgericht München, Urteil vom 01.10.2013, 331 C 28375/12).


Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem  Reisebus. Der Pkw befand sich auf der linken Spur und wechselte bei der Fahrbahnverengung auf die rechte Spur. Dort befand sich der Bus, der auf den Pkw auffuhr. Der Halter des Pkw verklagte den Haftpflichtversicherer des Reisebusses auf Schadenersatz.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Das Gericht war der Auffassung, dass bei  Unfällen durch Auffahren der erste Anschein zwar grundsätzlich für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen würde. Dieser erste Anschein wird jedoch dann erschüttert, wenn derjenige, der aufgefahren ist, einen atypischen Verlauf darlegt und auch beweisen kann, so dass die Verschuldensfrage in einem anderen Licht erscheint. Erforderlich ist der Nachweis, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches erst unmittelbar vor dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat und dadurch dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich war oder erheblich erschwert war.

Bei einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel spricht der Anschein für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht. Gemäß § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat. Demnach haftet der Vorausfahrende bei einem sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel für die Unfallschäden allein (Amtsgericht München, Urteil vom 01.10.2013, 331 C 28375/12).