Allein das Tragen eines Hörgerätes rechtfertigt nicht den Entzug der Fahrerlaubnis. Selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder eine Gehörlosigkeit ist kein Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet macht (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 04.02.2016, 3 L 4/16.NW).


In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beabsichtigte ein 85-jähriger Mann, der seit dem Jahr 1962 im Besitz einer Fahrerlaubnis war, sein altes, abgenutztes Dokument gegen eine neue Fahrerlaubnis eintauschen. Die Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass der Betroffene ein Hörgerät trug. Sie erkundigte sich, ob er mit dem Hörgerät gut zurechtkomme, was letzterer bejahte. Ungeachtet dessen wurde der Betroffene zur Vorlage eines ärztlichen Attestes zu seinem Hörvermögen aufgefordert. Der behandelnde HNO-Arzt bescheinigte dem Betroffenen ein altersgerechtes Hörvermögen und attestierte, dass Beeinträchtigungen im Straßenverkehr nicht zu erwarten seien.

Die Fahrerlaubnisbehörde gab sich jedoch mit diesem Attest nicht zufrieden. Sie verlangte eine Ergänzung dahingehend, dass der Hörverlust in Prozent anzugeben sei. Auch diesem Anliegen kam der Betroffene nach. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete nun die Beibringung eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung an. Da der Betroffene dieses Gutachten nicht fristgerecht beibrachte, wurde ihm Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen. Gegen diese Entscheidung wehrte sich der Betroffene mit einem Eilantrag.

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hielt den Fahrerlaubnisentzug für rechtswidrig und gab daher dem Antrag des Betroffenen statt. Das Gericht war der Auffassung, dass die Anordnung der Vorlage eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zu Unrecht erfolgt sei. So käme eine Begutachtungsanordnung nur dann in Betracht, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Betroffenen bestünden. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Das Gericht führte weiter aus, dass selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit kein Mangel sei, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet mache. Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolge überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt würden. Da durch eine vorhandene Hörminderung eine Steigerung anderer sensorischer Leistungen erreicht werden könne, seien hörgeminderte oder gehörlose Fahrer in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 04.02.2016, 3 L 4/16.NW).